(ein weiteres Kapitel von terralux)
Sie mussten einfach ins Kino gehen, es wäre die wohl letzte Möglichkeit halbwegs „normal“ dorthin zu gehen. Vielleicht hatten sie später nicht mehr die Möglichkeit zu so etwas.
Susan zog etwas widerwillig ihren Pullover an. Ihre Feder zog ein wenig an ihrem Unterarm, aber sie glaubte, dass sie das Gefühl nach einiger Zeit ignorieren konnte. Ihr Steiß bereitete ihr noch ein paar Probleme, da es schwer für sie war dieses unförmige Ding in ihrer Hose zu verstecken. Erst als sie ihn zwischen die Beine und halbwegs in ein Hosenbein klemmte konnte sie die Hose schließen. Die Position war zwar nicht gerade angenehm, aber sie würde es aushalten, hoffte sie.
Nachdem Susan den Rucksack aufgesetzt hatte begutachtete Nain sie noch einmal.
„Sehr gut, Spätzchen, ich denke so sollte es klappen.“
„Oh nein", meinte Susan, als sie Nain ansah.
„Was?“
„Du hast da ein paar Federn zwischen den Haaren, sie entsprechen so rein gar nicht deiner Haarfarbe, das dürfte auffallen.“
„Verdammt… Halt, ich hab’ da eine Idee, hast du noch das Käppi von der Con letztes Jahr?“
„Was? Das eklig grüne Ding?“
„Ja genau, das sollte alles verdecken.“, nickte Nain.
Zusammen gingen sie hoch und Susan durchwühlte ihr Zimmer.
Als Nain schon aufgeben wollte und meinte sie würden hoffnungslos zu spät kommen hielt Susan endlich triumphierend das scheußliche Käppi in der Hand.
„Du weißt doch, ich schmeiß nichts so schnell weg.“, lachte sie.
Nain setzte die Kopfbedeckung auf und posierte übertrieben vor Susan.
„Na, wie steht mir das?“
„Schrecklich, es ist einfach scheußlich.“, meinte sie lächelnd.
„Sehr gut, dann will es zumindest niemand anderer aufsetzen.“, schmunzelte Nain.
Nain sah wieder auf die Uhr.
„Viertel vor sieben… mit Rad schaffen wir das nicht mehr und es kann dauern, bis ein Taxi kommt…“
„Verdammt… warum können wir nicht einfach hinfliegen?“
Susan wollte sich erschrocken die Hände vor dem Mund halten, als sie merkte, dass sie das womöglich bald tatsächlich können würden.
Tröstend nahm Nain sie in den Arm.
„Keine Angst, ich werde immer für dich da sein. Vertrau mir, es wird sicher nicht so schlimm werden. Das wird unser kleines Abenteuer.“
„Abenteuer?“, rief Susan lauter als sie wollte, „Das wird unser ganzes Leben verändern! Alles wird sich ändern!“
„Ja, aber keiner von uns beiden ist alleine und jedes Abenteuer ändert etwas. Immer wieder.“
Susan war überrascht. Nain schien tatsächlich die absolute Kontrolle zu behalten.
„Verlass mich bitte niemals…“, flüsterte sie.
Er nahm ihren Kopf in seine Hände und blickte ihr tief in die Augen. „Niemals.“, hauchte er.
Dann küssten sie sich. Ein wohliges Gefühl breitete sich von ihren Lippen über den Körper aus. Neue Stärke, ein tiefes Vertrauen, gemeinsam würden sie allem standhalten.
„Und vielleicht hat dieses Abenteuer ja noch etwas gutes…“, dachte Susan.
„Aber wie kommen wir jetzt zum Kino? Wir bräuchten müssten schon mit Auto fahren, aber ich habe keinen Führerschein und ob du mit deinen Füßen…“
Bevor Nain etwas sagen konnte hörten sie draußen eine Hupe und beide gingen zum Fenster.
„Es ist Sergej!“, stieß Susan überrascht hervor.
„Aber wie…? Hast du etwa…?“, beide waren verwirrt. Dann fragte Nain etwas ängstlich:
„Glaubst du, er ahnt etwas?“
Susan wusste es nicht. „Nein… Keine Ahnung… Aber du kennst ihn ja, er ist so, immer für eine Überraschung gut.“
Nain nickte. Er erinnerte sich noch einmal an die Szene im Wald. Sergei hatte sich erstaunlich schnell mit allem zufrieden gegeben, was Nain gewundert hatte.
Susan beruhigte sich wieder. „Selbst wenn er etwas ahnt, du glaubst doch nicht, dass er uns irgendwie schaden würde, oder?“
„Nein… wahrscheinlich nicht…“, erwiderte Nain unsicher. Susan wurde nervöser. Ihr Fels, ihr immer sicherer ruhiger Freund schien angespannt zu sein. Er war doch sonst nie so.
Wieder hupte es.
„Besser wir gehen, oder?“, brachte Nain endlich hervor.
„Gut, selbst wenn er etwas ahnt, es wären eh nur ein paar Stunden bevor wir es sowieso erzählen müssten und bei ihm hätte ich noch die wenigsten Bedenken.“ Jetzt war es an Susan stark zu sein.
Gemeinsam gingen sie schnell herunter zur Haustür. Sie sahen sich noch einmal schnell an, ob auch keine Feder zu sehen war und dann gingen sie hinaus. Susan schloss vorsichtig die Tür hinter sich, während Nain schon voraus ging. Sie bemerkte seinen unsicheren Gang, als sie zu ihm ging. Ihm schien absolut nicht wohl zu sein, denn er blieb vor dem Auto stehen und machte weder die vordere, noch die hintere Tür auf. Erst als Susan bei ihm war und die hintere Tür öffnete erwachte er und folgte ihr auf die Rückbank.
„Hey ihr beiden, was braucht ihr so lang, wir müssen los, der Film fängt bald an.“, begrüßte er seine Gäste.
„Hey du.“, lächelte Susan. „Naja, mussten uns erst noch fertig machen, du weißt ja.“
„Ja, klar, Frauen!“, lachte Sergej und zwinkerte Nain einmal zu, der nur etwas lächelte und einmal nickte.
Sie fuhren schweigend los. Es würde nur ein paar Minuten dauern, um zum Kino zu kommen. Susan versuchte Nain etwas mehr halt zu geben und hielt seine Hand, was er dankend zur Kenntnis nahm.
Mitten auf der Strecke wurde Sergej langsamer und fuhr an die Seite, wo er anhielt.
Dann drehte er sich zu ihnen um: „Kann ich euch vielleicht helfen? Ihr seht so verspannt aus, irgendetwas bedrückt euch doch, das weiß ich.“
Nain brach in Schweiß aus, während Susans Gedanken rasten:
„Sollten sie sich ihm an vertrauen? Wusste er vielleicht eh schon alles? Was würde er nur denken?“